Von Susanne Ehrlich
Zehntausend begeisterte Zuschauer, ein eingespieltes Team aus Regie, Geschäftsführung und Vereinsvorsitz, ein Stück, das die 73 Darstellerinnen und Darsteller von Anfang an so geliebt haben, dass sie es elfmal mit derselben Überzeugungskraft rüberbringen konnten, eine Kostenrechnung, die vollständig aufgegangen ist, und fast immer tolles Wetter: Die Domfestspiele 2022 dürften der mehr als 20-jährigen Erfolgsgeschichte des Open-Air-Spektakels die Krone aufgesetzt haben.
Das Triumvirat aus Autor und Regisseur Hans König, Geschäftsführer Volker Schwennen und Ralf Böse, Vorsitzenden des Vereins, zieht nun Bilanz. "Durch den Wechsel im Vorstand mussten wir uns als Mannschaft völlig neu aufstellen", erinnert sich Böse. "Und dann mussten wir erstmal schauen, wie das Stück funktioniert. Auch das Bühnen- und Technikteam muss das gut finden, sonst läuft es nicht." Doch der Neustart sei nicht schwer gefallen, ergänzt König. "Von Gabi Müller haben wir ein großes Erbe und ein bestelltes Haus übernommen, darauf konnten wir aufbauen. Wir mussten die Dinge nicht neu erfinden."
Rundum positiv fällt Volker Schwennens Rückblick auf die Arbeit im Team aus: "Es war für mich eine tolle Erfahrung, auf so viel Engagement zu treffen und in so einer flachen Hierarchie zu arbeiten." König gibt das Kompliment zurück: "Volker war mit seinem Können und seiner Erfahrung ein Glücksfall für uns." Auch dass man Henning Diers für das Bühnenbild gewinnen konnte, sei eine glückliche Fügung gewesen. Selbst was die Dinge betrifft, die niemand beeinflussen kann, habe man unglaublich viel Glück gehabt. "Das stand alles unter einem guten Stern", ist König überzeugt. "Da oben hat uns wohl jemand gemocht!"
Technik trotzt dem Wetter
Dabei hatte es ausgerechnet im zweiten Teil der Premierenvorstellung ordentlich geschüttet. Doch dank der fortschrittlichen Bühnentechnik ging trotzdem alles glatt: "Wir hatten wasserdichte Scheinwerfer und ein sehr gutes Mikrofon-System: Kein Knacken, keine Ausfälle – so gut hat es nie zuvor funktioniert", meint König, für den es bereits die vierten Domfestspiele waren. Auch das Darsteller-Team hatte sich rein gar nichts anmerken lassen, sodass die Stärke des Regens von der Tribüne aus kaum aufgefallen war. Plastiküberzieher waren 2022 nämlich kein Thema. "In dem Moment, in dem man sich in so eine Plastikpelle einschweißt, wird es sowohl für die Darsteller selbst als auch für das Publikum befremdend. Barock und Plastik – das passt einfach nicht zusammen!"
Zum Glück blieb es nach der Premiere warm und trocken bis zum Schluss. Auch Corona machte den Domis keinen Strich durch die Rechnung. "Seit Probenbeginn im Februar mussten ja ständig 80 Leute zur Verfügung stehen" erklärt Böse, seit 2019 Vorsitzender des 1997 gegründeten Vereins. Zwar habe es den einen oder anderen erwischt, zuletzt noch gehäuft nach der Domweih, doch in der "heißen Phase" habe es keine Ausfälle gegeben. "Und nach der Dernière, der letzten Vorstellung, sind dann gleich mehrere Hauptdarsteller erkrankt!" Anscheinend ist das Domfestspiel-Virus stärker als das Corona-Virus.
Auch in der Domi-Familie hat es viele Veränderungen gegeben. Viele Ehemalige waren aus beruflichen oder Altersgründen diesmal nicht dabei, doch es hatten sich sehr viele Neue beworben. "Und die waren alle ein Glücksfall", freut sich Böse. Sie haben das Team so bereichert!" Nur die Hälfte der Mitwirkenden habe an früheren Produktionen mitgearbeitet, so König, denn man habe mindestens 20 Darsteller mehr als sonst benötigt. Das Team habe sich merklich verjüngt. "Wir hatten auch eine besonders tolle Jungs-Energie", sagt König mit Blick auf die Rollen des Valentin, des Peter und des Vogel-Jakob. "Theater ist sonst ja eher ein Mädchen-Ding!"
Gute Kontakte zu Sponsoren
Alle sind begeistert von der positiven Stimmung unter den Darstellern. "Sie identifizieren sich vollkommen mit dem Projekt, sie achten aufeinander, bringen sich gegenseitig Essen und Getränke mit, da ist ein stabiles soziales Gefüge entstanden", hat König beobachtet.
"Dabei haben sie die ganze Zeit so hart gearbeitet. Insgesamt gab es 87 Proben, und alle sind immer gekommen, oft direkt nach der Arbeit, und sie mussten dafür ja die meiste Zeit nach Intschede fahren!", sagt Böse voller Anerkennung.
Das liege wohl an der guten Regie, ist der Vorsitzende überzeugt. "Jeder hatte ja ganz bewusst einen eigenen Charakter zu spielen, das bindet auch!" Dabei habe jeder seine eigene Persönlichkeit einbringen können, niemand sei einfach in eine Rolle gesteckt worden. König habe stattdessen die Rollen gemeinsam mit den Darstellern entwickelt. "Ich konnte meinen ganzen Koffer voll Methoden gebrauchen. Es war toll, zu erleben, was ich alles einsetzen konnte. Ich lerne dabei genauso viel wie die Leute von mir. Das ist einfach ein toller Erfahrungsraum", begeistert sich der Regisseur.
Sehr zufrieden ist Schwennen, dass auch die finanzielle Bilanz positiv ausfällt. Zwar bedaure das Team den Abschied des langjährigen Sponsorenbetreuers Wolfgang Reichelt, fühle sich aber für die künftige Akquise von Sponsoren gut gerüstet: "Inzwischen bestehen viele gute Kontakte zur Verdener Wirtschaft", sagt der Geschäftsführer und weist auf die lange Sponsoren-Liste auf der Homepage hin. "Die wollen wir in Zukunft noch mehr einbinden, mit Besuchen, Einladungen und noch mehr Informationen."
Auch sonst sollen die Domfestspiele stärker in der Region verankert werden. "Wir wollen zum Treibriemen für mehr Theater in Verden werden" so König. "Wir denken an die Zusammenarbeit mit Vereinen und Kulturschaffenden, mit den Theater-AGs der Schulen, an Workshops und Programme mit kleinen Ensembles." Eines sei schon mal verraten: Die Domfestspiele wird es auch 2025 wieder geben. Hans König hat bereits eine Idee, auf die man gespannt sein darf.
WESER KURIER, 31.08.2022